Produzent gesucht. Angebot !

Wer hat Interesse daran, dieses Manuskript als Vorlage für einen Film zu benutzen ?
Angebote an hadee@ntz.de

Producer wanted !

Who is interested to make a movie of this theme ?
Offers to hadee@ntz.de


Kapitel:

1 2 3 4 5 6 7

4. Kapitel
 

Inzwischen ist es 3.15 Uhr in der Nacht: Helen und Pete hatten ihre jeweiligen Hotelzimmer aufgesucht, oder auch nicht, aber der Portier führte darüber kein Buch, und Jesus war auf Tour gefahren. Patrik und Linda-Lady hatten zwar Mühe, aber nach einigen Ansätzen doch Erfolg, das Appartement von Erika zu finden. Schon auf das erste Klingelzeichen hin öffnete sie ihre Tür und begrüßte den Outlaw und Linda herzlich. Erikas Fragen sogleich, nachdem beide ihr leichtes Gepäck mit Schlafanzug, Nachthemd, Zahnbürsten und anderem Zubehör abgestellt hatten: „Habt Ihr gut hergefunden und ist Jesus noch gut in Schwung gekommen?“
Auf beides war die Antwort zufriedenstellend, und Patrik und Linda waren erstaunt darüber, in welch prächtigen Räumen Erika ihr Zuhause hatte: „Ganz billig ist das hier aber nicht“ vermutete der Outlaw laut und vernehmlich, und Erika pflichtete ihm lächelnd bei. „Du hast recht, dafür muß ich viel tun, um das bezahlen zu können.“
Linda-Lady bewunderte währenddessen das Interieur und vor allem die schönen Möbel und Teppiche. Auch die Bilder an den Wänden gefielen ihr arg, wie sie sich auszudrücken pflegte: „Schön hier, gell?“ Mit dieser Feststellung hatte sie Patrik bereits alles gesagt, was dieser ebenso empfand, während Erika schon dabei war, dampfenden Kaffee aus der Küche herbeizuschaffen.
Die 27jährige hatte das gesamte Geschirr und alles weitere, was sie eigentlich für Helen vorbereitet hatte, einfach stehengelassen und das Ensemble nur noch um eine Tasse, Besteck und Teller ergänzt: „Macht es Euch bequem, oder möchtet Ihr Euch erst ein wenig frisch machen. Das Badezimmer ist dort hinten“, mit dieser Einleitung ließ Erika ihren Gästen, die sie am Vortag noch nicht einmal gekannt hatte, alle Möglichkeiten offen.

Linda-Lady nutzte das Angebot und verschwand für kurze Zeit im Badezimmer, während Patrik es beim Waschen der Hände an einem Spülstein auf einem Gang zum Toilettenraum beließ. Dann setzte er sich in einen der superweichen Sessel, dessen Lederbezug von feinster Qualität war: „An diese Wohnung könnte ich mich real gewöhnen, strong Deine Einrichtung“, mit diesen Sätzen machte er Erika eine Freude, und sie verstand die Anerkennung. „Danke, daß es Dir gefällt. Greif` doch zu, ich habe genug im Haus.“
Patrik sah auf den Tisch und hatte die Qual der Wahl: Erika hatte Kuchen ebenso noch aufgetischt wie Brot, Butter, Wurst und Käse. „Ich nehme Käse“, so entschied er sich und griff sogleich nach einer Scheibe Brot und der Butter. Dann stoppte er ab: „Moment, ich bin ja total unhöflich. Jetzt habe ich Linda ganz vergessen. Ich werde abwarten, bis sie zu uns an den Tisch gekommen ist. Einverstanden?“
Erika gefiel diese Art: „Sicher, aber Du kannst trotzdem schon zugreifen, denn wir Frauen brauchen manchmal länger zum Aufrischen als Männer sich das vorstellen können. Aber wir können auch abwarten. Zu zweit kommt einem das Warten nicht so lange vor. Getränke kann ich schon servieren. Möchtest Du Kaffee, Bier, Wasser, was wünscht Du?“
Die Antwort erfolgte durch Linda, die in dem Augenblick vom Badezimmer zur Wohnzimmertür hereinkam: „Gib ihm lieber ein Bier. Vom vielen Kaffee kann er sonst nicht schlafen. Heute hat er schon genug davon gehabt. Stimmt es, mein Schatz?“
Linda-Lady küßte Patrik leicht auf die Stirn und nahm neben ihm Platz auf einem anderen Sessel. Und der Outlaw sagte nichts zu Lindas Überzeugungskunst.
Erika sah indes fragend auf Patrik: „Möchtest Du ein Bier?“
„Ja doch, würde ich schon gern trinken. Linda hat wie immer recht, Strong, mein Baby“, und mit dieser Bemerkung warf er seiner Mam bildlich einen Handkuß zu, das heißt, er blies auf seine nach oben hin geöffnete Handfläche und grinste dabei.

Erika verstand die Frozzelei und während sie Patrik eine Flasche Bier hinüberreichte, schüttete sich Linda ein Glas Mineralwasser ein. Erika selbst bevorzugte noch Kaffee.
Dann griffen alle zu: Patrik schmierte sich eine Käsescheibe, Linda gab der Wurst den Vorzug und Erika öffnete einen Becher voll Schokoladenpudding mit Sahne für sich: „Den esse ich gern noch zum Abend.“

Es war inzwischen schon nach 3.30 Uhr und mitten in der Nacht, aber sowohl Linda als auch Patrik und Erika waren so aufgewühlt vom schönen Besuch im Jazz-Lokal, daß für alle drei der Tag einfach kein Ende haben sollte, auch wenn es eigentlich bereits der nächste war.
„Wann müßt Ihr denn morgen früh aufstehen? Richtiger, wann müßt Ihr heute aus den Federn?“, wollte Erika wissen, und Linda erläuterte ihr ihre Situation: „Eigentlich könnten wir bis zum Nachmittag schlafen, denn mein Termin beim ADCT ist erst zwischen 17 und 18 Uhr. Bis dahin haben wir Zeit.“
Erika verstand die Konstellation sogleich: „Das ist ja prima. Dann könnt Ihr Euch beide noch erholen. Ich selbst muß leider schon gegen 8 Uhr ins Büro. Es sei denn -die 27jährige dehnte ihren Gedankengang aus - „ich rufe an und sage bescheid, daß ich später komme, oder noch besser, ich nehme mir einen Tag frei. Zum Glück kann ich das, denn ich bin meine eigene Chefin. Den Vorteil hat die Selbständigekit.“
„Das muß nicht sein. Mach’ Dir bloß keine Umstände wegen uns. Das wäre uns nicht recht, wenn Du wegen uns Schwierigkeiten hättest“, stellte Linda-Lady fest und meinte ihre Worte auch so.
„Ich weiß nicht recht, aber Lust zu arbeiten habe ich eigentlich heute keine. Ich weiß nicht einmal, ob ich mich voll konzentrieren könnte. Denn Ihr müßt das verstehen, Jesus ist mir schon sehr nahe gekommen. Er hat mir auf den ersten Blick hin gefallen. So etwas ist mir noch nie passiert. Das muß ich jetzt erst verarbeiten“, gestand die Gastgeberin freizügig ein. Und Linda ergänzte: „Das verstehe ich,. das ginge mir auch so. Gell, Patrik?“
Mit einem leichten Nicken deutete der Outlaw sein Einverständnis mit Lindas Ausführungen an. Dann wandte er sich Erika: „Was machst Du eigentlich beruflich. Kannst Du darüber reden, oder frage ich Dich etwas zu Intimes?“

„Nein, nein“, wehrte Erika ab, „ich kann natürlich darüber sprechen. Das ist kein Geheimnis, aber ich weiß nicht, ob Euch das interessiert. Ich bin bei den Wedding-Days bei Stau-Events tätig und muß die ganzen Vorbereitungen managen. Von daher kenne ich auch Helen.“
„Warum , die ist doch gar nicht verheiratet?“ Patrik will es genau wissen.
„Nein. natürlich nicht. Ich kenne sie allgemein von den verschiedenen Stau-Treffen her. Sie hat auch schon einmal eine Reportage über mich im Radio gebracht. Wir haben manches miteinander erlebt.“
„Ist ja ulkig. Und wir lernen uns erst jetzt kennen. Really strong. Eigentlich hätten wir uns schon mal begegnen müssen, denn wir sind auch ständig auf Staus; Linda-Lady als Car Dancerin und ich im Shopping-Bereich“, erzählt Patrik.
„Tatsächlich“, pflichtet ihm Erika bei, „das ist schon seltsam. Aber so spielt manchmal das Leben. Ähnliches habe ich in meiner Tätigkeit des öfteren erlebt.“

„Erzähl doch mal“, fordert Patrik sie auf, und Linda setzt hinzu: „Wirklich, das interessiert uns. Was machst Du?“

Und dann beginnt Erika über sich und ihre Firma zu sprechen: „Wir sind insgesamt zehn Leute im Büro, von anderen weiteren Hilfskräften abgesehen, und produzieren die Wedding-Days. Aber ich muß das der Reihe nach erzählen, sonst ist das Ganze schlecht zu verstehen.
Wir sind grundsätzlich für ganz Europa zuständig, also für alle Staus, die sich in unseren Breitengraden abspielen. Das hängt mit einem Zehnjahres-Vertrag zusammen, den wir mit der UWEA in Brüssel abgeschlossen haben. Das ist genau die United Wedding European Association, eine Unterabteilung der Europa-Association, die sämtliche Arbeiten in dieser Hinsicht überwacht.
Das Ganze hängt wiederum mit der World Wedding Association in Seattle in den USA im Staat Washington zusammen, aber das führt hier zu weit, um auf alle Einzelheiten einzugehen. Soviel nur zu der organisatorischen und zur rechtlichen Seite: Das alles ist vernetzt und wird überregional weltweit gesteuert, und ich bin ein winziges Rädchen in diesem Heiratsgetriebe.
Allerdings: ich will nicht untertreiben, so winzig sind wir nun auch wieder nicht. Wir sind schließlich, wie ich schon gesagt habe, für ganz Europa zuständig. Darauf bin ich schon stolz. Ich zeige Euch einmal auf, wie das alles abläuft::
Wenn zum Beispiel ein Wedding Day bei einem Stau-Event ist, und das ist praktisch seit geraumer Zeit immer der Fall, dann schreiben wir den Termin samt Ort und so weiter im Internet aus. Das Programm wird in der Hinsicht stets für ein ganzes Jahr vorbereitet.
Die Interessenten in aller Welt suchen sich einen Hochzeitstermin aus, und wir haben nur eine Bedingung dabei: Das Datum muß ein Vierteljahr vorher feststehen, und die Unterlagen müssen ein Vierteljahr vorher eingereicht werden.
Konkret melden sich die Leute mit ihren persönlichen Daten, die natürlich geschützt werden, über einen speziellen Weg im Internet und klicken unsere Homepage an. Zum gleichen Zeitpunkt müssen sie 100 Euro bei einer der angegebenen Banken oder Sparkassen oder sonstigen Institute einzahlen oder online banking anweisen, und wir fertigen nach der Einzahlung, sobald wir davon Kenntnis haben, einen Chip mit den persönlichen Daten der Interessierten an und senden diesen den Paaren zu. Alle nötigen Fakten erhalten wir über das Internet bei der Anmeldung. Jeder Hochzeitsteilnehmer, Teilnehmerinnen entsprechend, bekommt einen persönlichen Chip.
Am eigentlichen Wedding Day dann müssen die Paare ihre Ausweise und Chips mitbringen und an der Kasse vorlegen. Wir geben die Karten in einen Computer ein, und der liest, vergleicht und speichert die Daten. Diese Dateneingabe ist gleichermaßen das Eintrittsgeld wie auch die Hochzeitszusage beider Hochzeiter.
Wer diesen Chip einmal abgegeben hat und im Computer gespeichert ist, der oder die hat praktisch „ja“ gesagt. Das heißt, das ist die eigentliche Heiratszusage. Eine spätere mündliche Erklärung dient lediglich der äußeren Form, wie man sie früher gekannt hat.
Habe ich mich bisher einigermaßen verständlich machen können?“, will Erika von Patrik und Linda wissen. Und beide sind interessiert daran, noch mehr davon zu hören.

Erika berichtet weiter: „Um Euch einmal ein Beispiel zu nennen. Beim größten Wedding Day der Welt, beim Innsbruck White Christmas, gab es in einem Fall über 23.000 Paare, die gleichzeitig an zwei Tagen getraut werden sollten. Und dafür ist eine Menge Organisation nötig. Deshalb müssen die Daten auch ein Vierteljahr vor der Hochzeit genannt werden.
Also: Die Paare hatten sich per Internet angemeldet, die Gebühr bezahlt und wir hatten ihnen ihre Chips zugeschickt.
Dann aber begann der zweite große Teil unserer Arbeit: Denn wir filterten aus den einzelnen Daten heraus, wer welche Religion hatte, wer welches Hochzeitsritual wünschte. Ihr müßt dabei bedenken, daß es neben den vielen Christengliederungen auch Buddhisten oder Muslime und viele andere gibt. Für jede dieser Gruppen kennen wir wiederum Pfarrer, Prediger oder sonstige Trau-Redner, bis hin zu den früheren Standesbeamten, die nur in den Rathäusern tätig gewesen waren, aber nun auch zu Stau-Events kommen.
Wir haben eine große weltweite Liste dieser Leute im Computer, und wenn wir selektiert haben, wieviel zu Trauende dieser oder jener Gruppe zuzurechnen sind, dann klicken wir die erforderlichen Trauungsredner im Internet an.
Oft wissen wir bereits einen Tag später, ebenfalls per Internet-Antwort oder über E-Mail, Telefon oder über das Faxgerät, je nachdem, woher die Antwort eingeht, wer von den Angeforderten Zeit hat und erscheinen wird oder wer absagen muß. In dem Fall müssen wir uns dann um einen Ersatz bemühen.
Diese Leute, das ist wichtig, werden über die Kirchen und verschiedene Büros bezahlt. Auch ihre Reisekosten rechnen sie mit denen ab. Wir müssen von den 100 Euro selbst zum Beispiel an die Kirchen und Büros jeweils 35 Euro pro Person bezahlen, zwei weitere Euro erhält die Association und weitere zwei Euro pro Nase gehen an den jeweiligen Veranstalter des Staus.
Wenn man sämtliche anfallenden Kosten abzieht, dann bleiben mir vor Steuern rund 50 Euro pro Person.
Na ja, so ganz stimmt das nicht. Von den 50 Euro pro Person, die ich dann als Gesamtsumme erhalte, muß ich selbstverständlich noch meine Leute bezahlen, Sozialabgaben entrichten, die Büromiete fällt an, Heizung, Strom und Wasser sind zu begleichen, das Büromaterial schlägt gewaltig zu Buch, und wenn das alles und noch einige Posten mehr abgezogen sind, dann bleibt mein Gewinn übrig, den ich noch versteuern muß. Aber ich bin zufrieden. Schlecht ist mein Verdienst nicht. Das ist meine ganze Firmengeschichte. Habe ich sie ausreichend erklärt?“

„Großartig“, Patrik ist fasziniert von Erikas Geschäftstüchtigkeit. „Das kann man ja kaum glauben, daß mit den Wedding Days so viele Arbeiten verbunden sind. Das hätte ich mir nie so vielfältig vorgestellt. Hättest Du das gedacht, Linda?“
Ihr „Nein“ geht in einer Frage von ihm unter: „Wie aber laufen eigentlich diese großen Hochzeitszeremonien ab, von der so viel zu hören ist?“

Erika spricht weiter: „Das alles ist fast bis auf den letzten Punkt vorprogramiert.
Wir fordern, wie dargestellt, die Redner an, und diese haben in der eigentlichen Hochzeitszeremonie im Schnitt bis zu zehn Minuten Zeit zum Reden; je nachdem, wieviel Paare und Redner es gibt.
Sobald die Paare ihre Chips abgegeben haben, wenden sie sich dieser feierlichen Großzeremonie zu. Meistens passiert das Ganze auf einem in den Stau integrierten Rastplatz, auf dem möglichst Tausende von Menschen Platz finden.
Mit Musik und allem Drum und Dran werden die Paare über Lautsprecher meist in ihrer Heimatsprache gesegnet und angesprochen. Das alles wird in einer aufeinander folgenden Reihe über Video auf Leinwände übertragen und ist von allen verfolgbar. Und der Clou daran: Weltweit senden Radios und Fernsehsender diese Hochzeitsbilder in alle Winkel der Erde. Beim Innsbruck White Christmas dauert eine solche Zeremonie fast drei Stunden lang und ist höchst interessant und bunt; eine wahre Augenweide jedes mal.
Wenn dann alle Paare persönlich angesprochen worden sind, ihre Namen werden selbstverständlich dabei auch in ihren Heimatsprachen genannt, die Redner in ihren heimatlichen und religionsgebundenen Trachten und Kutten haben entsprechende Computerauszüge, wird abschließend gemeinsam gebetet, zumindest wer das will. Man hat dazu eine allgemeingültige, weltweite Formel in Englisch entwickelt,
Kurz und gut: Gemeinsam werden dann alle nach ihrer Heiratsentscheidung befragt, und im großen Chor erschallt zuletzt das „Ja“. Ein „Nein“ gibt es zu dem Zeitpunkt nicht mehr, denn mit dem abgegebenen Chip am Wedding Day, da bestehen seit vielen Jahren internationale Rechtsgrundlagen zwischen den Ländern in der Welt, haben alle schon ihre endgültige Zusage erteilt. Ich sagte das schon. Das wäre eigentlich alles, von verschiedenen Besonderheiten abgesehen.“

„Besonderheiten, was meinst Du damit. Erzähl weiter, Erika, das ist ja spannender als eine Kriminalgeschichte“, ist Patriks Meinung.

Erika fährt fort: „Eine der Besonderheiten besteht  zum Beispiel darin, daß das Wedding-Netz weltweit geknüpft ist. Irgendein Paar kann sich vielleicht in Australien oder in Japan in einem der dortigen Rathäuser zu einem Stau-Event anmelden, und wir bekommen die Meldung dann über diese Rathäuser, Kirchen oder sonstigen Einrichtungen, die zur Verfügung stehen und der Wedding-Association angegliedert sind. Es gibt heute praktisch keinen Winkel der Erde mehr, von dem aus wir nicht erreichbar sind. Per Klick wird alles erledigt.
Das Tollste aber habe ich noch gar nicht erwähnt: Ich habe selbst in den letzten Jahren gestaunt, wie attraktiv das Heiraten bei Stau-Events geworden ist. Denn es ist heute ganz normal geworden, daß die Hochzeitspaare am Wedding Day Grüße aus aller Welt bekommen. Und das Bemerkenswerte daran: Immer mehr Politiker, Wirtschaftsleute und Wissenschaftler beteiligen sich daran. Irgendwie sehen sie das Ganze wohl als Imagepflege an. Selbst Präsidenten und höchste sonstige Leute aus allen Ländern sind daran beteiligt.
Ihr habt das sicherlich schon mal gehört. Das alles hat sich seit dem letzten Jahrhundert entwickelt. Damals gab es einige Witzbolde, die an Präsidenten, Filmstars und Schriftsteller oder Wissenschaftler und Wirtschaftsleute schrieben, daß ihr Bekannter oder ihre Freundin  heiraten würde und man bitte doch um ein Glückwunschschreiben.
Die jungen Leute legten ihrer Post die entsprechende Briefmarke samt Kuvert bei, und siehe da, viele der Angeschriebenen antworteten tatsächlich.
Das alles wurde aufgegriffen und stärker in die Öffentlichkeit gerückt, als die Radios und Fernsehanstalten über die Wedding Days bei Stau-Meetings berichteten. Es gab zuerst auf Wunschschreiben hin Antworten, und irgendwann haben die Politiker und sonstigen Mächtigen begriffen, daß es ein unbezahlbarer Reklamegag ist, bei Stau-Meetings ständig genannt zu werden und immer positiv zu wirken.
Heute ist die Situation die, daß regelmäßig ganze Glückwunschlisten verlesen werden. Unser Büro übrigens erhält die eingehenden Daten und bündelt das alles per Computer. Witzig, oder?“

Patrik und Linda kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus: „Und das alles machst Du in Deinem Büro. Das ist phantastisch. Real strong“, der Outlaw ist hin und hergerissen von der Schilderung. „Unglaublich, real.“

Erika dämpft Patriks Begeisterung ein wenig: „So phantastisch ist das nun auch wiederum nicht. Wir sind schließlich ein eingespieltes Team und machen das schon einige Jahre. Was auf den ersten Blick ziemlich verwirrend ausschaut, das ist bei näherer Betrachtung und genauer Kenntnis kein umwerfendes Wunder mehr. Wir sind regelmäßig bei rund 50 Events im Jahr engagiert, und mit den zehn Kräften ist das gut zu schaffen. Nur der Innsbruck White Christmas fordert uns besonders. Ansonsten aber hält sich der Streß in Grenzen.“

Linda hat noch Fragen:“ Und in Amerika, Afrika oder wo auch immer, läuft das da ebenso ab. Weißt Du etwas darüber?“

„Ja natürlich“, ist Erikas Antwort. „Das ist prinzipiell ebenso organisiert. Du kannst Dich auch von hier aus zu einem Stau in den USA, in Kanada, Schweden, Japan, China oder Indien anmelden. Du brauchst nur ins Internet zu schauen und kannst Dir ein Datum aussuchen. Du kannst das aber auch vom Rathaus Deiner Heimatstadt oder Deines Wohnortes aus bewerkstelligen. Die Internet-Wege führen immer zu einem Ziel. Habt Ihr Bedarf?“

„Nein, soweit sind wir noch nicht“, wehrt Linda ab. „Aber es interessiert mich schon, das Thema. Bisher habe ich mich damit noch gar nicht beschäftigt, denn ich hatte immer genug mit meinem Turnen zu tun. Du weißt ja, das Car-Dancing ist mein Job.“

„Ja, ich denke mir das. Ich weiß allerdings wenig davon. Erzähl Du doch mal, was das ist“, bittet Erika sie.

Und Linda-Lady  ist bei ihrem Thema und ihrem Faible: „Soll ich wirklich darüber berichten? Ich könnte Dir meine nächsten Pläne als Beispiel nennen. Du hast doch nichts dagegen, Patrik, gell?“
 Der Outlaw widmet sich seinem Bier, und Linda bewertet das als Einwilligung. Ihr Vorhaben: „Ich möchte speziell beim Bajuwarian-Stau groß herauskommen und habe mir ausgemalt, mal auf einem Ferrari-Oldtimer zu tanzen. Du kennst das Fahrzeug vermutlich nicht. Das waren früher die 355-Modelle, von denen verschiedene Versionen gebaut worden sind. Mich würde der Spider interessieren, der es auf 380 PS gebracht hat.
Diese hochtourigen Wagen mit 3,5 Liter Hubraum und V8-Mittel-Motoren hat man mit Sechsgang-Getriebe und zum Teil auch schon mit Schaltwippe an der Lenksäule gebaut. Ich finde die schmucken Renner immer noch toll, und ich glaube, daß ich auf einem solchen Vehikel eine ganz gute Figur abgeben würde. Gell, Patrik?“

Erika versteht nicht so viel von Oldtimern, aber die Marke Ferrari ist auch ihr ein Begriff.: „Sicherlich, diese Wagen haben immer noch ihren Reiz. Aber wie willst Du darin tanzen?“, lautet ihre Frage.

Patrik übernimt die Antwort: „Sie tanzt eigentlich nicht darin, sondern obendrauf. Nur bei einigen Übergängen wechselt sie auch in das Innere des offenen Fahrzeugs.“
Und Linda gibt ergänzende Ausführungen zu ihrem Programm ab, das Erika nach und nach zu verstehen beginnt: „Ach so, deshalb nennst Du das ganze Turnen. Das alles sind mehr oder weniger artistische Verrenkungen. Habe ich das richtig begriffen?“.

Und Linda-Lady stimmt zu: „Ganz recht. So läuft das irgendwie. Alle sprechen von tanzen, aber tanzen ist das im Grund genommen wenig. Das ist mehr eine Tanzkür wie bei einem Striptease oder ähnlichem. Allerdings: Ich ziehe mich nicht aus.“

Patrik erläutert die Show: „Körperbeherschung ist bei solchen Acts das A und das O. Und natürlich muß die Ausstrahlung der Tänzerin rüberkommen. Das ist besonders wichtig. Nicht jede Frau hat Personality. Linda-Lady ist in der Beziehung  Sonderklasse. Wenn sie turnt, dann sind die Zuschauer und Zuschauerinnen jedes mal ganz hin und hergerissen von ihrem Können.“
Im übrigen, das kann sich Patrik im Gespräch mit den beiden Frauen nicht verkeifen zu sagen: Auch der Wagen spielt eine ganz entscheidende Rolle mit. Und voll spielt er sein Wissen über Autos aus: „Wenn Linda zum Beispiel auf einem Alt-Ferrari des Typs 550 Maranello tanzen würde, dann wäre das zwar ein noch besserer Renner, aber eben kein Spider.“

Den Frauen ist diese Einzelheit zu sehr ein Detail, das ihnen nichts oder nur wenig sagt, aber Patrik versucht seine Ansichten an einem anderen Modell zu erläutern: „Der Ferrari 456 M GT mit seinem Zwölfzylinder-V-Motor etwa bringt satte 442 PS auf die Straße, aber wie der Maranello, der ebenfalls ein Zwölfzylinder ist, mit sogar 485 PS, bietet er kein Tanzflair. Geschlossene Fahrzeuge eignen sich nicht dazu, auch wenn das grotesk scheint. Dazu braucht man einen offenen Schlitten, der vielerlei Schwierigkeitsgrade mit sich bringt. Und deshalb habe ich Linda zum 355er in rot-gelber Ausführung geraten.“

„Auf jeden Fall“, sagt Linda, „werde ich eine neue Kür hinlegen, die sich gewaschen hat. Und ich hoffe, daß diesmal das Fernsehen dabei ist. Deshalb spreche ich morgen beim ADACT vor.“

Erika kann Linda verstehen. Denn sie erahnt, wenn sie auf deren phantastische Figur schaut, ihre leuchtend blauen Augen und die dunklen Haare sieht, daß ihre Kür sicherlich eine Klasse für sich sein würde. Sie verspürt nicht einmal einen Anflug von Neid oder weiblichem Konkurrenzdenken dabei, als sie Linda als das „schönste Mädchen“ einschätzt, das sie seit langem gesehen hat.
Die 27jährige ist interessiert aber auch daran, was Patrik bei den Meetings macht, und dieser erzählt nun kurz von sich: Es ist zwischenzeitlich längst 5 Uhr geworden, als Erika, Linda und Patrik beschließen, die Gesprächs-Nacht zu beenden und noch einige Stunden zu schlafen.
Erika wird gegen 8 Uhr im Büro anrufen und mitteilen, daß sie heute einen freien Tag benötigt. Es ist draußen bereits hell geworden.